PATRIOT: Parteien wollen Lippstädter Wandbild „Freiheit“ retten

Die „Freiheit“ ist bedroht. Im konkreten Fall das gleichnamige Wandgemälde, das Jugendliche im Rahmen eines Ini-Projekts in der Lippstädter Mühlenstraße erstellt haben. Da es nicht den Vorgaben der Gestaltungssatzung entspricht, soll es bis zum 30. Juniverschwinden. Dagegen formiert sich politischer Widerstand. Ein breites Parteienbündnis will auf Initiative der FDP das Bild retten.
Lippstadt – Nicht immer ist sich die Politik in Kulturfragen so einig wie hier. Während beim Stadtmuseum die Fetzen fliegen, sind die Reihen in Sachen Ini-Wandbild ziemlich geschlossen. In einem gemeinsamen Antrag an Bürgermeister Arne Moritz (CDU) und den Rat fordern die Fraktionen von CDU, SPD, FDP/CDL, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke den Erhalt des Gemäldes. Die Ratssitzung, in der über den Antrag abgestimmt wird, findet zufälligerweise ebenfalls am 30. Junistatt, dem Tag, bis zu dem das Bild eigentlich entfernt werden soll.
Die von Blautönen dominierte großformatige Arbeit zeigt Porträts von jungen Menschen offenbar nicht-deutscher Herkunft. Die Blicke sind abgewandt, die Augen oft geschlossen. „Freiheit“ steht in Großbuchstaben über ihnen – und man ahnt, dass diese Menschen am eigenen Leib erfahren haben, was es heißt, wenn die Freiheit existenziell bedroht ist.
Und so ist es auch: In dem Gebäude gegenüber dem Aldi-Parkplatz, an dessen rechter Seite das Bild angebracht ist, befindet sich eine Einrichtung der Ini für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Nutzer dieses Treffpunkts hätten vor ungefähr einem Jahr die Idee gehabt, dieses Bild anzufertigen, erklärt Andreas Knapp, Vorstandsmitglied der Ini-Stiftung.
Ein gesellschaftliches Statement
„Das ist ein Entwurf, den die Jugendlichen alleine gemacht haben, wir haben dann das Material zur Verfügung gestellt“, berichtet Knapp. „Und die haben das toll gemacht. Das sind Jugendliche mit teilweise erheblichem Fluchthintergrund, und die haben das trotzdem so gestaltet, dass es eigentlich alle anspricht.“
„Das Wandbild ist mehr als Farbe auf einer Wand – es ist ein gesellschaftliches Statement“, betonen denn auch die am Antrag beteiligten Parteien in einer gemeinsamen Presseerklärung. Die Anordnung zur Entfernung bis zum 30. Juni fuße auf formalen Vorgaben der städtischen Gestaltungssatzung. Die Begründung sei, dass die gewählte Farbe Blau nicht dem Reglement entspreche. „Inhaltlich sei das Werk jedoch unbedenklich – im Gegenteil: Es stehe für zentrale Werte, die die Stadt Lippstadt auszeichnen und stärken sollte“, fassen die Parteien zusammen.
Daher fordern die Fraktionen die „sofortige Aussetzung der Entfernungspflicht“ und die Prüfung einer Ausnahmeregelung. Darüber hinaus plädieren sie für „eine Überarbeitung der Gestaltungssatzung, um zukünftig mehr Raum für gesellschaftlich relevante Jugend-, Kultur- und Demokratieprojekte im Stadtbild zu schaffen“. Und sie betonen in ihrem Antrag: „Gerade jetzt, wo demokratische Grundwerte vielerorts unter Druck geraten, wäre die Entfernung eines solchen Kunstwerks ein völlig falsches Signal.“
Was soll denn das für eine Diktatur sein?
Gerade vor dem Hintergrund des tatsächlichen Vormarsches antidemokratischer Kräfte in aller Welt wirkt es indes etwas schräg – um nicht zu sagen fahrlässig – von einer „kleinkarierte(n) Gestaltungsdiktatur“ zu sprechen, wie es die FDP in einem Instagram-Post tut. Schließlich ist die Gestaltungssatzung vom Rat, einem demokratisch gewählten Gremium, verabschiedet worden. Und genau dieser Rat könnte jetzt auch die Rettung des Wandbildes bewirken. Eine Diktatur sieht anders aus.
Das Wort sei vielleicht „too much“ räumt Maria Pöttker ein. Die unter anderem dem Kulturausschuss angehörende FDP-Politikerin hat den Zusammenschluss der Parteien für den gemeinsamen Antrag organisiert und wird einige der am Bild beteiligten Jugendlichen auch in die Ratssitzung begleiten.
Farbe ist laut Stadt gar nicht das Problem
„Das Wort Diktatur ist falsch, aber wir haben das genommen, um ein bisschen wachzurütteln“, erklärt Maria Pöttker. „Vorschriften müssen doch dazu da sein, dass sie etwas Gutem dienen. Es kann doch nicht sein, dass das Bild wegen einer falschen Farbe am 30. Juni tatsächlich weg gewesen wäre.“
Die Wahl der Farbe ist allerdings laut Stadtsprecherin Julia Köller gar nicht das eigentliche Problem. Tatsächlich erlaube die Gestaltungssatzung grundsätzlich bei Fassaden im Geltungsbereich nur eine einheitliche, schlichte Gestaltung. Die farbliche Hervorhebung einzelner Architekturdetails oder die Anknüpfung an eine historische Gestaltung sei allerdings möglich.
„Es war hier also nicht das Problem: Was ist das für eine Farbe, ist es zu hell, zu dunkel?“, betont Köller. Zwar seien laut Satzung „ungebrochene, grelle, glänzende und reine Buntfarben“ unzulässig. Darüber hinaus widerspreche ein derartiges Wandbild aber auch grundsätzlich der Vorgabe, Fassaden schlicht zu gestalten. Hinzu käme, dass jede Änderung einer Fassade im Geltungsbereich mit der Verwaltung abgestimmt werden müsse. Das sei aber unkompliziert per E-Mail und kostenfrei möglich.
Die „Freiheit“ hätte laut Köller trotzdem keine Chance auf Genehmigung gehabt. Die Stadtsprecherin betont aber auch, es gehe überhaupt nicht darum, solche Projekte kaputtzumachen. „Es muss einfach nur an richtiger Stelle passieren.“ Bei vorheriger Absprache mit der Stadt wäre vielleicht ein passender Ort gefunden worden. „Wenn man darüber spricht, kriegt man das schon geregelt. Da sind wir uns am Ende ja auch einig, dass das eine gute Sache ist, wenn Jugendliche so etwas machen.“
Maria Pöttker ist derweil sehr zuversichtlich, dass das Bild gerettet werden kann. Sollte am 30. Juniim Rat dennoch gegen die Erhaltung gestimmt werden, müsse es noch in der Nacht entfernt werden. „Da würde ich dann auch mithelfen.“