Lippstadts FDP-Fraktionsvorsitzender Jürg Haseloff spricht Klartext
Mit unserem Abschneiden bei der Kommunalwahl können wir höchstens im Vergleich zum landesweiten Abschneiden der FDP zufrieden sein.
Wir sind über unser Abschneiden in Lippstadt enttäuscht.
Unser selbstgestecktes Ziel für die Ratswahl haben wir nicht erreicht.
Wir konnten unseren Stimmenanteil gegenüber der Kommunalwahl 2020 nicht ausweiten.
Aus eigener Kraft haben wir nicht in allen Ausschüssen und Gremien einen Sitz erreicht.
Stattdessen haben wir einen Sitz im Rat abgeben müssen und konnten in einige Gremien nicht wieder einziehen.
Um es klar zu sagen: Wir gehen geschwächt in die neue Ratsperiode.
Für die Herstellung von Mehrheiten im Rat sind wir nicht (nicht mehr) relevant.
Wir müssen unsere Rolle im Rat neu definieren.
Woran liegt unser enttäuschendes Abschneiden?
Dem Versuch einer – zugegebenermaßen subjektiven – Ursachenanalyse möchte ich eine Vorbemerkung bzw. einen Dank voranstellen:
Wir haben einen engagierten Wahlkampf mit hohem persönlichem Einsatz einiger weniger geführt.
Mein Dank gilt unserem Bürgermeisterkandidaten Torben Terwey, der medial präsent war und keine Podiumsdiskussion gescheut hat. Er hat sich einen Applaus verdient.
Mein Dank gilt dem Wahlkampfteam, das wöchentlich zusammengesessen und Aktionen, Auftritte, Anzeigen und vor allem unsere redaktionellen Seiten im Patriot mit Inhalten, Herzblut und Humor gefüllt hat.
Wir haben dafür sehr viel positives Feedback von Wählern, Medienprofis und Mitgliedern erhalten.
Steht doch bitte kurz auf und zeigt euch. Auch ihr habt einen Applaus verdient.
Wir glauben, dass jeder Cent für unsere Kampagne gut angelegtes Geld war.
Ohne diesen Kraftakt hätten wir sicherlich schlechter abgeschnitten.
Kommen wir zu den vermuteten Ursachen unseres Abschneidens:
Fundierte Analysen aus unabhängigen Quellen sind bei Kommunalwahlen auf Ebene der Kommune Mangelware.
Deshalb versuche ich mich jetzt selbst an einer Antwort:
Zunächst die Faktoren, die von außen auf uns eingewirkt haben:
▪ Enttäuschung und Politikverdrossenheit
Die Parteien der bürgerlichen Mitte, soweit sie bundesweit antreten, haben in Lippstadt insgesamt 8 Sitze an die linken und rechten Ränder verloren.
Die Kommunalwahl folgt damit (wieder einmal) dem demoskopischen Trend, auch zu unseren Lasten.
▪ Reputations- und Glaubwürdigkeitskrise
Die FDP steht nach ihrer Beteiligung an der Ampelkoalition im Bund schlecht da.
Ihre Glaubwürdigkeit hat in den Augen der Wähler stark abgenommen.
Die Art und Weise des Ausscheidens aus der Ampelregierung hat der FDP einen deutlichen Reputationsschaden zugefügt.
Seit dem Ausscheiden aus dem Bundestag ist die FDP in der politischen Diskussion öffentlich so gut wie nicht mehr wahrnehmbar.
Um es klar zu sagen: Die Landes- und die Bundes-FDP haben uns eher geschadet als genützt.
Aber auch wir haben Fehler gemacht:
▪ Relevanz unserer Themen für die Wähler
Wir müssen feststellen, dass wir offenbar mit unseren Themen die Wähler nicht erreicht und nicht überzeugt haben.
Entweder sind die Themen nicht die richtigen oder wir werden nicht als glaubwürdig wahrgenommen.
▪ Glaubwürdigkeit
Die Wähler scheinen uns möglicherweise die Umsetzung unseres Programms in Gänze nicht zuzutrauen.
Nicht nur die große Politik, sondern auch wir haben offenbareine Glaubwürdigkeitskrise.
▪ Erweiterung Stadtmuseum und Umgestaltung Marktplatz
Die Bekanntgabe des Ergebnisses des Architektenwettbewerbs zur Erweiterung des Stadtmuseums und zur Umgestaltung des Marktplatzes lag terminlich zwischen dem Beginn der Briefwahl und der Urnenwahl.
Die Zustimmung zur FDP lag bei der Urnenwahl erkennbarniedriger als in der Briefwahl.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Ausgang des Architektenwettbewerbs uns tendenziell eher geschadet shat.
Diese Einschätzung wird auch durch viele kritische Stimmen im Straßenwahlkampf gestützt.
Unsere Positionierung pro Erweiterung des Stadtmuseums und zur teilweisen Bebauung des Marktplatzes wurde von hinreichend vielen Wählern vor dem Hintergrund des Bürgerentscheids nicht gutgeheißen.
Last but not least:
▪ Mangelnde Unterstützung der Wahlkämpfer durch die Mitglieder des Stadtverbands
Die aktiven Wahlkämpfer fühlten sich aus den eigenen Reihen der Mitglieder nicht gerade unterstützt.
Ein gutes Dutzend Aktive blieb bei Veranstaltungen, am Infostand und selbst beim Aufstellungsparteitag weitgehend unter sich.
Entschuldigung: unsere Freunde von der CDL haben unsere Reihen immer wieder fleißig aufgefüllt.
Kandidaten für die Wahlbezirke zu finden, war ein langwieriger und schmerzvoller Prozess. Das mag der Unzufriedenheit mit der Bundespartei geschuldet gewesen sein.
Das mangelnde Engagement der Mehrzahl der Mitglieder zehrt an der Motivation der Aktiven und überdehnt unsere personellen Ressourcen.
Die Aktiven haben in diesem Jahr zwei Wahlkämpfe geführt, einen davon unter widrigsten Witterungsbedingungen, und wurden kaum unterstützt.
Aktive Unterstützung durch die schweigende Mehrheit der Mitglieder wäre mehr als nur ein feiner Zug gewesen.
Aktive Unterstützung in welcher Form auch immer ist eine Voraussetzung für mehr Erfolg, weil sich unsere Initiativenauf mehr Schultern verteilen.
Hinzu kommt, dass wir nach außen den Eindruck mangelnder Geschlossenheit und mangelnden Glaubens an uns selbst vermitteln.
Ich bin darauf angesprochen worden und ein politischer Mitbewerber nahm das zum Anlass uns auf offener Straße vor Publikum zu verspotten.
Wenn wir als Partei nicht stark und geschlossen auftreten, werden wir, so geschwächt, wie wir aus der Wahl hervorgegangen sind, auch politisch nichts Entscheidendes für Lippstadt bewegen!
Persönlich betroffen war ich über unsachliche Kommentare von der Seitenlinie, in denen die Arbeit der Aktiven verächtlich gemacht wurde.
Wir freuen uns über jede sachliche und konstruktive Kritik.
Davon lebt der politische Diskurs. Das ist gutes liberalesGrundverständnis.
Verächtlich gemacht zu werden, hat dagegen keiner der Aktiven verdient. Das überlassen wir gerne einem dafür bekannten politischen Mitbewerber.
Kommen wir zum Ringen um unsere Stichwahl-Aussage:
Klar war von Anfang an, dass eine Empfehlung kritische Reaktionen hervorrufen und die Partei belasten wird.
Wir haben unseren BM-Kandidaten bis zum Ende des Wahlabends geschlossen und mit großer Überzeugung unterstützt.
Wir haben sorgfältig darauf geachtet keine Vorfestlegung zur Positionierung in der Stichwahl vor dem Wahlabend zu treffen, obwohl wir wiederholt danach gefragt wurden.
Wir haben uns eine Woche Zeit genommen, alle Aspekte einer Stichwahlentscheidung gründlich im Vorstand zu diskutieren.
Wir haben alle aktiv am Wahlkampf Beteiligten einschließlich der Wahlbezirkskandidaten und dem Kreisvorsitzenden zu Ihren Meinungen befragt.
Wir haben Gespräche mit beiden Kandidaten und ihren Unterstützerteams geführt.
Und wir haben uns mit unseren Freunden von der CDL abgestimmt.
Am Ende waren es Stunden an Telefonaten und Videokonferenzen und unzählige WhatsApp-Nachrichten und E-Mails, die in die Meinungsbildung und Entscheidung des Vorstands eingegangen sind.
Schließlich hat der Vorstand sich unter Würdigung aller Argumente mehrheitlich für die Unterstützung von Arne Moritz und gegen eine neutrale Aussage ausgesprochen.
Wir haben daraufhin ein Pressestatement herausgegeben und der CDU unsere Wahlplakatstandorte überlassen.
Unsere Bedingung, dass auf den Wahlplakaten auf Aussagen zum freien Marktplatz verzichtet werden musste, ist die CDU vollumfänglich nachgekommen.
Auf einen offiziellen Wahlaufruf haben wir verzichtet.