Erfahrungsbericht zum Streaming von Gremiensitzungen
Jürg Haseloff, stellv. Fraktionsvorsitzender und Ratsmitglied der FDP LP, hat an der Videokonferenz vom 27. Mai 2021 des StGB NRW teilgenommen und folgende wesentliche Informationen mitgenommen:
- Das Interesse an dem Erfahrungsaustausch war riesig. In der Spitze an die dreihundert Teilnehmer bei über 350 Anmeldungen. Laut nicht repräsentativer Umfrage in der Videokonferenz plant jede 5. teilnehmende Kommune ein Streaming-Angebot.
- Die Konferenz wurde aufgezeichnet und die Aufzeichnung soll im Anschluss zur Verfügung gestellt werden.
- Ihre Erfahrungen vorgestellt haben die Städte Gütersloh und Monheim. Die Präsentation der Stadt Monheim wird im Nachgang zur Verfügung gestellt (werde ich weiterleiten).
- Angeboten werden alle Sitzungen (Rat und Ausschüsse; diskutiert wird die Ausdehnung auf Beiräte).
- Monheim ist 2018 mit einer einjährigen Testphase gestartet und jetzt im Regelbetrieb; Gütersloh ist 2020 gestartet; Initialzündung war in beiden Fällen ein Antrag einer Ratsfraktion (in Monheim bereits Ende 2016). Gütersloh streamt ausschließlich, während Monheim auch archiviert. Monheim hat inzwischen das Ratsinformationssystem mit dem Archiv integriert und spart Wortprotokolle zugunsten der Aufzeichnungen ein. Dort werden auch die (nicht gestreamten) Aufzeichnungen der nicht-öffentlichen Sitzungen archiviert.
- In beiden Fällen fungieren die Bürgermeister, Verwaltung und Politik als aktive und begeisterte Treiber, die Streaming als wichtigen Baustein in einem aktiven Bürgerbeteiligungsprozess sehen. Beide Kommunen haben die Einführung mit massiver Öffentlichkeitsarbeit begleitet und arbeiten und halten die Streaming-Übertragungen mit regelmäßiger Öffentlichkeitsarbeit im Bewusstsein der Bürger. Streaming wird als Produkt der Kommune gesehen!
- Beide Kommunen bedienen sich externer Dienstleister mit unterschiedlichen Aufgabenumfängen (GT adhoc ohne Ausschreibung, Monheim mit Leistungskatalog und nach Ausschreibung). Die externen Dienstleister stehen für eine professionelle Produktion und Post-Produktion sowie die technischen Ressourcen. Technisch wird mit zwei bis vier stationären Kameras und Regieplatz im Hintergrund gearbeitet. Sprecher sprechen in Gütersloh von zwei vorbereiteten Mikrofon-Standorten im Saal und in Monheim vom Platz aus. Bild im Bild für die gleichzeitige Darstellung von Sprechern und Präsentation ist Stand der Technik. Monheim arbeitet mit „Bauchbinden“ zur Einblendung von Namen, Tagesordnungspunkten und Hinweisen. Monheim bietet vier Bitraten/Auflösungen parallel passend zur verfügbaren Bandbreite der „Konsumenten“ an. Die Latenz (Zeitversatz zwischen Aufzeichnung und Sendung) liegt bei durchschnittlich 12 Sekunden. Stream und Aufzeichnung werden technisch (Token-Verifizierung) gegen unbefugtes Kopieren / Herunterladen / Speichern geschützt.
- Ein professionelle, wenn auch nicht zwingenderweise perfekte, Präsentation ist aus der Erfahrung beider Kommunen wichtig für die Akzeptanz der Bürger.
- Durch Indexmarken in der Übertragung und der Aufzeichnung können sich Bürger in Monheim gezielt die für sie interessanten Tagesordnungspunkte heraussuchen. Im Archiv kann so auch der Zusammenhang eines Themas in der Beratung über Ausschüsse und den Rat für den Benutzter hergestellt werden. Das ist ein echter Mehrwert!
- Technische Einrichtungen und Verfahren können ggf. auch für andere Zwecke der Kommunen genutzt werden.
- Beide Kommunen fragen die Bereitschaft in Wort und Bild übertragen zu werden bei Ratsmitgliedern, sachkundigen Bürgern und Zuschauern vor jeder Sitzung ab (Datenschutzabfrage). Die Bereitschaft ist über die Zeit gestiegen und erreicht jetzt Zustimmungswerte von 95 bis 100%. Verweigerer werden in Monheim bei ihren Beiträgen durch die Regie ausgeblendet und eine erklärende Tafel für die Dauer eingeblendet. Die Beiträge werden durch die Sitzungsleitung zusammengefasst, damit der sachliche Zusammenhang gegeben ist. Gütersloh arbeitet mit Verpixelung und Stummschaltung.
- Beide Kommunen verzeichnen regelmäßig je nach Themen und Gremien hohe zwei- / niedrige dreistellige Anmeldezahlen, in der Spitze auch niedrige vierstellige. Auf jeden Fall nehmen regelmäßig mehr „Zuschauer“ im Streaming / im Archiv teil, als es Sitze für die Öffentlichkeit in den jeweiligen Räumen gibt. Das Archiv wird im Schnitt dreimal häufiger als die Online-Übertragung genutzt. Für einen repräsentativen Zeitpunkt hat Monheim eine durchschnittliche Verweildauer von 26 Min. im Stream ermittelt.
- Für Streaming und Speicherung muss die Geschäftsordnung angepasst werden.
- Die Debatten- und Redekultur verändert sich. Es gibt durchschnittlich mehr Redebeiträge und eine anfängliche (über die Zeit abnehmende) Tendenz, länger zu reden. Die gefühlte Qualität der Beratungen nimmt zu.
- Monheim wendet 2.500 EUR netto pro Sitzung für Streaming und Archivierung auf (300 EUR netto pro nicht-öffentliche Sitzung). Beide Kommunen stellen fest, dass für sie der Nutzen aus der gesteigerten Bürgerbeteiligung die Kosten rechtfertigt.
- Monheim hat in über vier Jahren keine negativen Erfahrungen mit unberechtigter Nutzung von Streaminginhalten gemacht.
- Monheim hat vom Antrag im Rat bis zum Zuschlag für den Dienstleister eine Laufzeit von 15 Monaten benötigt.
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Fazit: Für alle von unserer Verwaltung aufgeworfenen Fragen gibt es eine Lösung. „Wo ein Wille ist, ist ein Stream“ sagt die Stadt Monheim 😉
Basierend auf den Erkenntnissen aus den Erfahrungsberichten werde ich zusammen mit Christian Knopf und Chris Winkelmann einen Antrag zur Offenlegung der Ergebnisse aus der Umfrage bei den Ratsmitgliedern und zum weiteren Vorgehen für die kommende Ratssitzung stellen und eine Pressemitteilung vorbereiten. Das Thema ist aktuell und zahlt auf unsere Ziele im Wahlprogramm ein. Streaming ist möglich und wir sollten ein positives Klima in der Öffentlichkeit schaffen und Rat und Verwaltung zum Jagen tragen.
Herzliche Grüße
Jürg Haseloff
FDP-Stadtverband Lippstadt
FDP-Fraktion im Rat der Stadt Lippstadt
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender